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Phänomenale Präzision

Münchner Merkur

Münchner Merkur

Er hockt da wie ein Fels vor dem Flügel: Affektierte Attitüde hat Yefim Bronfman nicht nötig. Der 53-jährige Pianist bringt sämtliche Voraussetzungen mit, um einen Brocken wie Rachmaninows drittes Klavierkonzert souverän zu bewältigen, wie er mit den Münchner Philharmonikern unter Andris Nelsons in der Isarphilharmonie bewies. Bronf- man kann mit stupender Leichtigkeit die Klangzauberei des Komponisten entfa- chen, aber auch die Klaviersaiten zum Singen bringen. Er wirkt wie ein lyrischer Löwe, der die Tasten mal mit kraftvoller Pranke bearbeitet, mal mit Samtpfoten. Er serviert Rachmaninows Melancholie ohne jede Süßlichkeit – und fabriziert kein hohles Gedonner, sondern agiert mit Sinn für Spannungsbögen und Zusammenhänge. Dabei bleiben die Philharmoniker nicht bloß passive Begleiter: Nach minimalen Abstim- mungsproblemen in puncto Tempo und Dynamik finden Solist und Orchester bald zu innigem gemeinsamen Musizie- ren. Und Bronfman verfügt sogar über die Kraftreserven, um als Zugabe noch den Finalsatz aus Beethovens „Appassionata“ locker aus dem Ärmel zu schütteln.
Was für ein Glücksgriff Nelsons als Einspringer für den geschassten Chefdirigenten Valery Gergiev ist, zeigt sich nach der Pause bei Prokofjews fünfter Symphonie. Die Philharmoniker hatten dasselbe Werk am selben Ort im vergangenen Dezember unter Gergiev präsentiert. Anders als vor gut drei Monaten begeistern sie nun mit faszinierender Feinarbeit und phänomenaler Präzision. Nelsons animiert sie dank seiner mitreißenden Hingabe zu wahren Höhenflügen; er lässt uns förmlich baden in Prokofjews üppigen Klangfluten, sorgt aber gleichzeitig für quellwasserklare Transparenz; er bringt Kantilenen zum Blühen, setzt jedoch auch elektrisierende rhythmische Akzente. Im spritzigen Scherzo und im fetzigen Finale treibt er das Orchester mit extrem flotten Tempi bis an die Grenze des Spielbaren: Die Musiker, glänzend disponiert und erfri- schend motiviert, können virtuos auf- trumpfen – und bestechen sogar in rasendem Rausch durch atemberaubende Akkuratesse. Ovationen.

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Munich Philharmonic Orchestra

“Exciting, inspiring, profound, gripping – in short: this concert of the Munich Philharmonic Orchestra in the Isarphilharmonie, conducted by Andris Nelsons – head of the Boston Symphony Orchestra and ...